Elektrisch bis zum Wasserfall und weiter
Der Rheinfall von Schaffhausen bietet ein wildes Naturschauspiel. In der Nähe liegt eine Schnellladestation für Elektroautos. Foto: Münch
Für elf Euro von Niedersachsen in die Schweiz und wieder zurück Ein Test der Ladeinfrastruktur für Elektroautos im August 2016 Die erste gute Nachricht: 1965 Kilometer bin ich elektrisch durch Deutschland und die Schweiz gefahren und musste nirgendwo länger als 30 Minuten zum Laden meines Autos stehen. Das wird so bleiben, auch wenn künftig mehr E-Mobile über die Straßen rollen. Denn der Bau neuer Ladestationen schreitet rasant voran. Die zweite gute Nachricht: Für die 1965 Kilometer habe ich 11,85 Euro ausgegeben. Das wird aber nicht so bleiben. Denn die vorwiegend freien Angebote zum Laden werden irgendwann kostenpflichtig. 2015 testete ich alle 21 Elektroautos, die in Großserie produziert und in Deutschland verkauft werden. In diesem Jahr nahm ich mir die Ladeinfrastruktur vor. Unterwegs war ich in einem neuen Nissan Leaf, dem meistverkauften Elektroauto der Welt. Der Leaf ist ein geräumiger Fünfsitzer mit einem 370 Liter großen Kofferraum und einer 30 Kilowattstunden fassenden Batterie. Die ermöglicht bei moderater Fahrweise eine Reichweite von rund 200 Kilometern. Moderat wie bei meinen Tests im vergangenen Jahr wollte ich diesmal aber nicht fahren, sondern spritzig und schnell, wozu der Elektroantrieb ohnehin verleitet. Auf den Verbrauch kam es diesmal nicht an. Zumal die Fahrt Ende August in den heißesten Tagen des Jahres begann und die Klimaanlage immer auf Hochtouren lief. Möglichst nur Schnellladung Die Frage lautete: Lässt sich eine längere Strecke ohne stundenlange Ladepausen absolvieren? Dabei pickte ich nicht die Rosinen aus dem Kuchen, steckte die Fahrt also nicht nach Schnellladestationen ab, sondern ging umgekehrt vor. Ich verabredete mich im Laufe einer Woche mit Freunden und Bekannten und suchte danach die Schnelllader vom Typ CHAdeMO aus, die der Nissan benötigt. Die Fahrt führte durch die Bundesländer Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und durch die Schweiz. Die Besuchsstationen waren Münster, Erftstadt, Neuwied, Tübingen, Zürich und auf der Rückfahrt Kaiserlautern, Bergisch-Gladbach und Düsseldorf. Zeit für Besichtigungen Strom zapfte ich an Power-Stationen in Osnabrück, Hilden, Erftstadt, Waldlaubersheim, Speyer, Pforzheim, Aichtal, Villingen, Schaffhausen, Zürich, Landau, Kaiserlautern, Neustadt (Wied) und Düsseldorf. Das waren mehr Stationen als nötig, aber ich wollte ja möglichst viele testen. Überall hatte ich meine Batterien nach einer halben Stunde wieder zu 80 Prozent oder mehr gefüllt. Länger blieb ich nur, wenn mich der Ort interessierte. Zum Beispiel der Dom zu Speyer oder der Rheinfall in Schaffhausen. Nicht alle Stationen in Betrieb Drei von 20 getesteten Schnellladestationen funktionierten nicht. Der erste Fall war auf dem Autobahn-Rastplatz Tecklenburger Land, wo die von „Tank & Rast" betriebene Ladesäule komplett außer Betrieb war. Aber dort hatte ich die in Osnabrück geladenen Akkus noch fast voll. An der Aldi-Filiale in Schildgen hätte ich nur den langsameren Standardanschluss für alle Elektroautos mit dem so genannten Typ 2-Stecker nutzen können, weil dort die Schnellladung nicht funktionierte. Ich lud das Auto dann aber bei Freunden in Schildgen auf, bei denen ich ohnehin übernachten wollte. Vorher hatte ich schon einmal bei Freunden in Tübingen nachts Strom getankt. Ganz am Ende meiner Tour testete ich noch einmal die Schnellladestation von „Tank & Rast" auf dem Rastplatz Lichtendorf Süd an der A1 bei Schwerte. Sie hatte ich schon ein Jahr zuvor außer Betrieb erlebt. Das war jetzt leider immer noch so. Netz wird ständig erweitert In Not wäre ich nirgendwo geraten. Denn an jedem Punkt meiner Reise hätte ich im Umkreis von 20 Kilometern mindestens zehn oder mehr öffentliche Typ-2-Stromtankstellen gefunden. Davon gibt es in Deutschland mittlerweile 6800 mit rund 29000 Ladepunkten. Zum Vergleich: Autos mit Verbrennungsmotoren stehen derzeit rund 14000 herkömmliche Tankstellen zur Verfügung. Während deren Zahl stagniert, werden die Stromstationen ständig mehr. Seit einem Jahr stehen dabei auch die Schnellladestationen im Fokus, von denen es allerdings erst ein paar Hundert in der Republik gibt. Engagierter Mittelstand Für den Ausbau der Infrastruktur sorgen zum Beispiel der Energieversorger RWE und der Discounter Aldi Süd mit ihren wachsenden Netzen. Vor allem sind aber etliche Stadtwerke und viele mittelständische Initiativen sehr aktiv. Ich tankte Sonnenstrom bei Volksbanken und Autohäusern, die wie die Aldi-Filialen alle große Solaranlagen auf ihren Dächern installiert haben. Leuchtendes Beispiel ist der Bäcker Schüren in Hilden bei Düsseldorf (siehe den Infokasten auf dieser Seite). Er betreibt seinen elektrischen Fuhrpark mit selbst erzeugter Sonnenenergie. Seine Kunden und Angestellten dürfen kostenlos tanken. Kostenlos war es für mich auch sonst fast überall. Bezahlt habe ich nur zweimal mit Kreditkarte an kommerziell betriebenen Zapfsäulen in Waldlaubersheim und in Schaffhausen. Zugriff noch ziemlich chaotisch Nicht ganz leicht und bisweilen nervig war der Zugriff auf die Zapfsäulen. Eine Vereinheitlichung des Zugangs und später auch der Bezahlung ist dringend geboten. Zurzeit reicht das von verschiedenen Kartensystemen über Handy-Apps, Zahlung per Kreditkarte oder PayPal, zu scannende QR-Codes, zu wählende Telefonnummern bis hin zur Bezahlung mit EC-Karte am Kassenautomaten. Mit einiger Geduld und meinem Smartphone konnte ich aber jeden Zapfhahn frei schalten. Dafür ging es auf den Parkplätzen von Aldi Süd und mehrerer Volksbanken ganz leicht: Stecker ins Auto, Knopf drücken und fertig. Übersicht der öffentlichen Ladestationen auf einem Kartenausschnitt des Suchportals „e-stations.de“. Im Raum zwischen Dortmund und Düsseldorf sind es derzeit 399 Stromtankstellen. Wird der Google-Maps-Ausschnitt gezoomt, erscheinen die Orte der Stationen immer genauer – bis hin zur exakten Position mit allen nötigen Informationen.
Auch im Navigationssystem des Nissan Leaf ist ein Stromtankstellen-Finder integriert. Hier ein Beispiel in der Stadt Münster: Das Display zeigt fünf öffentliche Stationen im Umkreis von maximal 1,5 Kilometern. Foto: Münch
Beispiele einiger Tankkarten für Elektroautos: „smartlab“ ist ein Ladenetz-Verbund verschiedener Stadtwerke (oben). Die Stadtwerke Düsseldorf (Mitte) und Münster (unten) geben eigene Karten heraus. Foto: Münch
So sah das Bild des kommerziellen Anbieters allego auf dem Smartphone aus, nachdem ich den QR-Code an der Zapfsäule gescannt hatte, um die Station frei zu schalten. Repro: Münch Während mein Auto auf dem Parkplatz der örtlichen Volksbank lud, nahm ich mir Zeit, um den Dom in Speyer zu besichtigen. Foto: Münch Auch das Villinger Münster und der dortige Wochenmarkt waren einen Besuch Wert, während der Nissan an der dortigen Volksbank seine Akkus auflud. Foto: Münch
Diese Freude war mir leider nicht vergönnt. Zum zweiten Mal binnen zwölf Monaten musste ich diese Ankündigung an der Ladesäule der Firma „Tank & Rast" auf dem Autobahnrastplatz Lichtendorf Süd an der A1 bei Schwerte lesen. Denn so lange war die Anlage schon defekt und die versprochene neue Stromtankstelle nicht in Sicht. Foto: Münch
Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Aldi-Gebäudes in Aichtal. Aldi Süd baut sein Netz von kostenlosen Schnellladestationen ständig weiter aus. Auch Anschlüsse für die anderen Ladesysteme sind dort vorhanden. Überall wird der Solarstrom dafür vor Ort erzeugt. Foto: Münch
Bewegte Bilder von der Tour Hier ein paar bewegte Impressionen von der Tour. Beim Klick aufs folgende Bild geht es zu einem Kurzvideo. Weiter unten folgt eine Fünf-Minuten-Version der Diaschau auf YouTube.
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Und nichts Sensationelleres gibt es in der Welt als die Zeit, in der man lebt!