Das Batterieforschungszentrum der Uni Münster
 

Das MEET: Wo Wissenschaft auf Industrie trifft

Langlebige Batterien mit großer Kapazität zu erschwinglichen Preisen. So sieht der Schlüssel zum Erfolg der Elektromobilität aus. In Deutschland und weltweit. Das ist kein Zukunftstraum, sondern eine realistische Aufgabe für Wissenschaft und Industrie. Im Wissenschafts- und Technologiefeld ganz vorne arbeitet hier das im Jahr 2009 gegründete Batterieforschungszentrum der Universität Münster „MEET“.

Das Kürzel MEET steht für „Münster Electrochemical Energy Technology“. Der Name ist Programm, bedeutet das englische Verb meet doch nichts anderes als: treffen. In diesem Fall trifft Wissenschaft auf Industrie, wie es ganz oben auf der Interseite des Forschungszentrums steht: „Where science MEETs industry“.

Kein akademischer Elfenbeinturm

Das soll heißen: In Münster wird keine Forschung im akademischen Elfenbeinturm betrieben. „Wir haben zusätzlich zu den wissenschaftlichen Erfolgen auch immer die Anwendung im Blick“, sagt Dorothee Muth, Kommunikationsbeauftragte des MEET, bei einer Führung vorbei an den High-Tech-Labors des Instituts. Deshalb arbeiten die Münsteraner auch mit vielen Technischen Hochschulen zusammen und bauen, auch oft in Kooperation, viele Brücken zur Industrie. Zum Netzwerk des MEET gehören Rohstofflieferanten ebenso wie Automobilkonzerne und deren Zulieferer.

Internationales Spitzenteam

Ein internationales Spitzenteam von 150 Wissenschaftlern arbeitet am MEET in der Grundlagenforschung und Entwicklung innovativer elektrochemischer Energiespeicher. Im Mittelpunkt steht dabei noch immer die aus Notebook- oder Handyakkus bekannte Lithium-Ionen-Technologie. Hier, so Dorothee Muth, sei das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Höhere Energiedichte, längere Haltbarkeit und maximale Sicherheit sind hier die Stichworte. Ziel der Forscher ist es, die Batterie für den Einsatz in Elektroautos und auch in stationären Energiespeichern zu verbessern. Und das alles zu möglichst geringen Kosten.

Wichtig für die Energiewende

Die Forschungsergebnisse aus Münster sollen sich in der Praxis auszahlen. Das ist auch für die Energiewende wichtig. Überschüssiger Strom aus Wind und Sonne muss gespeichert werden, bis er wieder gebraucht werden kann. Sowohl in großen Anlagen als auch in Privathäusern. Keine Technik ist da so flexibel und über Größenordnungen skalierbar wie Batterien.

Erkundung neuer Materialien

Die Verbesserung des Bewährten ist der eine Weg, die Erkundung neuer Möglichkeiten der zweite. Deshalb befasst sich die Materialforschung am MEET unter anderem auch mit Lithium-Metall-Systemen und Dual-Ionen-Speichern. Und für die Batterien der nächsten Generation forschen die Münsteraner unter anderem an Lithium-Schwefel oder Metall-Luft-Systemen. Wo Strom fließt, wandern elektrisch geladene Ionen zwischen zwei Elektroden: Anode und Kathode. Mit der Zusammensetzung beider Elektroden beschäftigen sich am MEET spezielle Teams. Da geht es zum Beispiel um die Verwendung von Silizium als Anodenmaterial. Das ist im Überfluss vorhanden. Denn Silizium wird aus Sand gewonnen.

Speicher für jede Anwendung

„Die Eier legende Woll-Milch-Sau“, also einen perfekten Energiespeicher für alle Zwecke, wird es vorläufig nicht geben, sagt Dorothee Muth. Aber jeweils gute und preiswerte Batterien für die einzelnen Anwendungen im Auto, im Haus oder in Großanlagen seien machbar. Daran arbeiten die Mitarbeiter des MEET. Was dort in staub- oder feuchtigkeitsfreien Labors betrieben wird, ist akribische wissenschaftliche Arbeit. Zauberei ist es meistens nicht. Weitere Informationen auf der

                 Homepage des MEET

 

Akribische wissenschaftliche Arbeit am MEET: Mit der Röntgen-Photoelektronenspektroskopie können hier auch nur wenige Nanometer stark beschichtete Elektroden mit einer Auflösung von kleiner als drei nm untersucht werden.   Foto: MEET

 

Perfekt  ist  die  Elektromobilität,  wenn  die Energie dafür  regenerativ  erzeugt  wird.  Dafür  sind neben Akkus für Elektroautos auch stationäre Batterien zur Speicherung des Solar- oder Windstroms nötig.  Mit solchen Themen beschäftigen sich die Forscher am MEET intensiv.                                             Bild: Fotolia

 

Kleine Zylinder, große Wirkung

Als die kalifornische Elektroauto-Firma Tesla ihr erstes Modell "Roadster" auf den Markt brachte, bestand dessen Batterie aus 6831 Lithium-Ionen-Rundzellen der Größe 18650. Das sind zylinderförmige Batterien mit 18 mm Durchmesser und 65 mm Länge. Diese Größe wurde schon milliardenfach für Laptops produziert. In das neue Tesla Model S wurden noch ein paar Tausend mehr davon gebaut. Genau was in diesen kleinen Zellen steckt, haben auch die Forscher am MEET im Fokus.    

  

Als Gag verschenkt das MEET  Pfeffeminzrollen in der Form einer 18650-Rundzelle.        Foto: Münch

In manchen Elektroautos und in weiteren Produkten werden Batterien ganz anderer Form und chemischer Beschaffenheit verwendet. So baut die Firma Iveco in ihre elektrischen LKW Natrium-Nickelchlorid- und neuerdings Natrium-Schwefel-Akkus ein.  Auch am MEET wird an alternativen Materialien geforscht. Die Kalifornier bei Tesla haben der Elektromobilität den Weg bereitet Die Münsteraner könnten diesen Weg zu einem großen Straßennetz verbreitern. 

  

Im Tesla Roadster stecken 6831 Rundzellen der Größe 18650.                                           Foto: Münch

Beim Batteriepack des Roadster wurden 69 Rundzellen parallel zu einem Block verdrahtet. Neun Blöcke wurden je Lage in Reihe geschaltet, und elf Lagen in das Satzgehäuse eingefügt. So entstand ein Satz aus 6831 Zellen. Das Batteriepaket wiegt 408 kg, speichert 56 Kilowattstunden an elektrischer Energie und liefert bis zu 215 Kilowatt an elektrischer Leistung.

 

Projekte der Zukunft

Auch woanders wird an Speicherbatterien und Elektromotoren geforscht. Manches klingt exotisch, einiges vielversprechend. Die beiden folgenden Links führen zu zwei Beispielen, die größere Leistung, weniger Kosten und obendrein mehr Umweltschutz versprechen:

Japanische Akkus mit Baumwolle

Belgischer E-Motor ohne seltene Erden

 

 

 

 

 

 

 

Zurück auf Start

 
Der Haupteingang des Batterieforschungszentrums MEET in Münster.                                                                        Foto: Münch
 
 

Interview mit  MEET-Direktor und Mitgründer Dr. Gerhard Hörpel

Ende 2015 tagte in Paris der Weltklimagipfel. Viele bezeichnen ihn als wichtigste Konferenz der Menschheitsgeschichte. Welchen Beitrag kann die Batterieforschung zur Verbesserung des Weltklimas leisten?

Dr. Hörpel:  Die Energiewende kann nur mit erneuerbaren Energien gelingen, vor allem mit Wind und Sonne. Weil die aber sehr schwankend sind, brauchen wir Energiespeicher. Dabei ist die Batterie die beste, weil flexibelste Lösung. Außerdem möchten wir möglichst viel vom erzeugten Strom nutzen. Lithium-Ionen-Batterien können mehr als 95 % des gespeicherten Stroms wieder abgeben und haben damit einen sehr guten Stromwirkungsgrad. Außerdem können Batterien dezentral, direkt an der Stromerzeugung eingesetzt werden. Wir brauchen keine langen Trassen dafür. Schließlich können wir Batterien zu beliebig großen Einheiten zusammenschalten, um so auch große Strommengen zu speichern. Insofern leistet die Batterieforschung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Klimas.

 

Das weltweit größte Speicherkraftwerk wird gerade in Lünen gemeinsam von Daimler mit dem Entsorgungsunternehmen Remondis gebaut. Es soll mit ausgedienten Batterien aus Elektroautos betrieben werden. Ist das der richtige Weg?

Dr. Hörpel: Es ist ein guter Schritt in die richtige Richtung und eine zusätzliche Strategie für die Nutzung von Batterien. Zwischen dem technisch erforderlichen Nutzungsende im Auto und dem Recycling können die Batterien noch genutzt werden. Das ist wirtschaftlich und ökologisch eine sinnvolle Sache. 

 

Im Trockenraum des MEET, einer maximal wasserfreien Atmosphäre, werden Batteriezellen aus selbst gefertigten Aktivmaterialien zusammengefügt.                        Foto: MEET

 

Neben Großanlagen sowie kleinen stationären Speichern im privaten und gewerblichen Bereich werden Batterien in Elektroautos verwendet.  Kommt in allen Bereichen  jeweils dieselbe Technik in Frage oder muss es da unterschiedliche Speichertypen geben?

Dr. Hörpel: Es ist in jedem Fall die Lithium-Ionen-Technologie. Allerdings mit unterschiedlichen Anforderungen. Im Auto kommt es auf eine hohe Energiedichte an, damit man weit damit fahren kann. Beim stationären Speicher ist die Lebensdauer wichtig.Wenn die Photovoltaikanlage mindestens 20 Jahre Strom produziert, soll der Speicher auch mindestens so lange halten.

 

In welcher Richtung forschen Sie, um die Batterien für Elektrofahrzeuge weiter zu verbessern?

Dr. Hörpel: Da geht es vor allem um Reichweite der Batterien in Wattstunden pro Kilogramm bzw. Liter. Viel Strom soll mit möglichst wenig Gewicht und Volumen gespeichert werden. Wenn Sie die Energiedichte erhöhen, müssen Sie aber immer die Sicherheit beachten. Außerdem arbeiten wir am Alterungsprozess der Speicher. Eine zu schnelle oder zu hohe Ladung oder eine komplette Entladung lässt Batterien schneller altern. Bei 10 bis 90 Prozent ihres Ladezustands halten sie am längsten. Das wird über die Elektronik des Autos geregelt. Dem raschen Verschleiß durch zu schnelles Laden können wir mit intelligenten Materialien begegnen. Die Schnellladung muss kommen. Unsere Forschung wird das unterstützen. Im Labor haben wir schon Batterien, die fünfmal so schnell geladen werden können wie die derzeit in den Elektroautos verwendeten Akkus.

 

Herkömmliche Blei-Batterien sind viel schwerer, aber auch deutlich billiger als Lithium-Akkus. Sind sie beim Einsatz als stationäre Stromspeicher gleichwertig?

Dr. Hörpel: Nein, weil ihre Haltbarkeit geringer und ihre Selbstentladung größer ist. Es gibt gute Bleibatterien. Die sind dann aber auch viel teurer. 

 

Welche anderen Alternativen gibt es zur Lithium-Ionen-Technik?

Dr. Hörpel: Natrium-Ionen wird beforscht. Auch die Magnesium-Technologie ist interessant. Aber in den nächsten 15 Jahren führt in der Praxis kein Weg an der Lithium-Ionen-Technik vorbei.

 

Sind in den nächsten Jahren weitere Durchbrüche bei der Batterie-Entwicklung für Elektrofahrzeuge zu erwarten?

Dr. Hörpel: In jedem Fall. Mit der nächsten Generation wird sich die Reichweite fast verdoppeln. Und mit den Batterien, die wir jetzt auf dem Labortisch haben, wird sich die Reichweite vervierfachen. Alles ohne steigendes Gewicht.

 

Wagen Sie eine Prognose zur Elektromobilität? Wird es eines Tages mehr Elektroautos als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor geben?

Dr. Hörpel: Aber sicher

 

Was müsste in Deutschland passieren, um die Elektromobilität in Schwung zu bringen?

Dr. Hörpel: Das muss als eine nationale Aufgabe verstanden werden. Die Batterieentwicklung verspricht aus meiner Sicht eine enorme Wertschöpfung. Die darf sich  die deutsche Autoindustrie nicht entgehen lassen. Es gibt in Deutschland viele Haushalte mit einem Zweitwagen, der so teuer wie ein Elektroauto ist. Hier muss es Anreize zum Umstieg geben wie eigene Fahrspuren oder freie Parkplätze mit Ladestationen. Dann wird so was sexy. Nicht für Tausende, sondern für Hunderttausende potentieller Käufer.

 
 
 
Im Jahr 2012 wurde das MEET als "Ort des Fortschritts" vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW ausgezeichnet.                                 Foto: Münch 
 
 
 
Vor dem Eingang des MEET auf dem Universitäts-Campus steht eine Stromtankstelle der Stadtwerke Münster, an der hier gerade zwei Elektroautos geladen werden: ein Renault Kangoo Z.E. (links) und ein BMW i3.                      Foto: Münch
 
 
In 6 Minuten Strom für 320 Kilometer
Dem japanischen Toshiba-Konzern ist ein wichtiger Durchbruch bei der Entwicklung leistungsstarker Akkus gelungen. Mehr dazu beim klick auf das Bild:
 
 
 

Und nichts Sensationelleres gibt es in der Welt als die Zeit, in der man lebt!