Zeitungsgeschichten 

 

 

Illegale Rüstungsexporte aus dem beschaulichen Münsterland

Es ist schon einige Jahr her. Aber immer noch ein Beispiel dafür, dass sich hartnäckige Recherche lohnt. Auch gegen viele Widerstände. Außerdem ist es der längste und umfangreichste Fall in meiner bisherigen journalistischen Arbeit. Er nahm mich von 1989 bis 1994 in Anspruch.

Wir, die Redakteure der Münsterschen Zeitung in der Stadt Drensteinfurt, bekamen 1989 erste Hinweise, dass die Maschinenbaufirma H + H Metalform, das Drensteinfurter „Vorzeigeunternehmen“, in illegale Rüstungsexporte verwickelt sein sollte. Die Rede war von Lieferungen hochpräziser Fließdrückmaschinen zur Herstellung von Gasultrazentrifugen. Die Kunden: Irak-Diktator Saddam Hussein und Libyens Herrscher Muammar al-Gaddafi. Beide begehrten die Zentrifugen zur Hochanreicherung von Uran für ihre Atombombenprojekte.

"Nestbeschmutzer"

Im Zuge der Recherchen verdichtete sich die Verstrickung der Drensteinfurter Firma in die illegalen Rüstungsprojekte immer mehr. Auch wurde deutlich, dass das Unternehmen dem Irak weiteres Know How für seine Atom- und Raketentechnologie lieferte. Die Reaktionen waren  heftig. Die Firmenchefs wiesen alle Vorwürfe von sich und wurden dabei von den Spitzen der Stadt, den Kommunalpolitikern und auch unseren journalistischen Mitbewerbern vor Ort unterstützt. Unsere Redaktion galt als „Nestbeschmutzer“, die zudem Arbeitsplätze im Ort gefährdete. Unserer Chefredaktion waren die Berichte oft zu heiß. Sie versuchte zu bremsen, ließ uns aber letztlich doch immer weiter machen.

Alle Recherchen bestätigt

Nach fast vier Jahren kam die Wende. Die Staatsanwaltschaft klagte die Firmenchefs an wegen vielfacher Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Es kam zum Prozess vor dem Landgericht in Münster, wo Angeklagte und Zeugen anfangs logen, dass sich die Balken bogen. Doch die Beweise waren eindeutig. Wir begleiteten das Verfahren von Anfang bis Ende. Dabei  wurden unsere  Recherchen nach und nach alle bestätigt. Und es kam noch mehr zum Vorschein. An Ende stand eine Verurteilung der Firmenchefs zu Freiheitsstrafen und eine Insolvenz des Unternehmens. Wir bekamen ein Lob von der Chefredaktion. Die öffentliche Meinung in der Stadt wurde freundlich. Viele lobten nun unsere "investigative" Arbeit.

Die Rolle der Politik

Im Zuge des Prozesses wurde auch die zynische Rolle der Politik deutlich, die das Gericht in seiner Urteilsbegründung deutlich ansprach: Als Saddam im ersten von ihm vom Zaun gebrochenen Golfkrieg noch guter Freund des Westens im Kampf gegen die Mullas im Iran war, wurden die Irak-Geschäfte der Drensteinfurter Firma aus Bonn und Washington wohlwollend geduldet, wenn nicht gar ermuntert. Als Saddam dann zum Hort des Bösen wurde, weil er die Ölreserven des Westens am Golf mit seinem Einmarsch in Kuweit gefährdete, wollte kein Politiker mehr etwas von dem Unternehmen wissen.

Die Sündenböcke

Da war es aber für ein Umschwenken des Unternehmens zu spät. Der Irak war als stiller Teilhaber mit Kontrollrechten in die Firma eingestiegen. Als die Firma dann nicht mehr in den Irak liefern konnte, hatte sie fertige Maschinen im Millionenwert auf dem Gelände stehen. Die mussten irgendwie verkauft werden. Deshalb wurden die illegalen Kontakte zu Gaddafi in Libyen geknüpft. Die Drensteinfurter Unternehmer waren nun die Sündenböcke für eine scheinheilige Politik.

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Saddam Hussein.                       Foto: Flickr

 

Muammar al-Gaddafi.                            Foto: Flickr   

 

Ein  US-Soldat blickt  auf   das  Siegestor  am   früheren Paradeplatz in Bagdad, wo Saddam die Militärparaden abnahm. Ein kleines  Modell  dieses  Monumentes, der gekreuzten  "Schwerter  von  Kadesia", stand  auf  dem Schreibtisch  im  Chefbüro  der  Firma H + H Metalform. Die Drensteinfurter bekamen den Auftrag zur Lieferung der   Schwerter  und   ließen   sie  dann  von  der  Firma Trendelkamp in Nordwalde bauen.                                               Foto: Baldwin / EPA (aus den Ruhr Nachrichten)

 

Interessanter Prozessverlauf 

Zunächst verstrickten sich die Angeklagten durch die Strategie ihrer prominenten Wahlverteidiger in heillose Widersprüche und gerieten in die Defensive. Erst als sie ihre Wahlverteidiger entließen, sich der Prozessstrategie ihrer jungen Pflichtverteidiger anvertrauten und Geständnisse ablegten, erhielten sie wieder begrenzte Handlungsfreiheit und kamen am Ende mit moderaten Freiheitsstrafen davon. Der junge Rechtsanwalt Michael Rietz machte sich mit seinem souveränen Auftreten in diesem Prozess einen Namen. Er betreibt heute in Münster eine angesehene Kanzlei und befasst sich vor allem mit Wirtschafts- und Steuerstrafrecht.                    

Rund 80 Berichte

Die ganze Berichterstattung erfolgte noch in vordigitalen Zeiten. Deshalb gibt es nur zwei unserer rund 80 Berichte im Netz, die Rechtsanwalt Michael Rietz, online gestellt hat. Dazu bitte auf diese Symbole klicken:

          

 

 

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Zum Thema gehört auch der folgende aktuelle Artikel, den ich am 21. Mai 2015 im Westfälischen Anzeiger veröffentlicht habe. 

 

 

 

Und nichts Sensationelleres gibt es in der Welt als die Zeit, in der man lebt!